Tschernobyl – Über 20 Jahre nach dem Reaktorunfall

Tschernobyl

Wer schon etwas älter ist, hat die Nachrichten wohl noch lebhaft vor Augen. Am 26. April 1986 ereignete sich in Tschernobyl eine atomare Katastrophe, deren Auswirkungen auch heute noch zu sehen sind. Es passierte, was laut Atomwirtschaft eigentlich nicht passieren konnte und nie hätte passieren sollen. Ein GAU entstand – ein größter anzunehmender Unfall, der sich auf ganz Europa auswirkte. Es entstand im Kernkraftwerk eine vollständige Kernschmelze, in dessen Folge radioaktives Material in die Luft gestoßen wurde und über weite Teile der Ukraine und Europa verteilt wurde. Neben gesundheitlichen Auswirkungen hat sich auch der Blick auf die Sicherheit von Atomenergie geändert, die auch heute noch stark in der Kritik steht.

Die Katastrophe von Tschernobyl

Vier Reaktorblöcke entstanden in der Zeit zwischen 1970 und 1983 im Norden der Ukraine. Sie galten als Vorzeigeobjekte der Sowjetunion, die es auf 1.000 Megawatt elektrischer Bruttoleistung pro Reaktor brachten. Am 26. April 1986 sollte es einen Sicherheitstest im Kernkraftwerk von Tschernobyl geben, genauer gesagt in Block 4. Konstruktions- und Bedienungsfehler führten schließlich zum Unfall. Die Leistung des Reaktors wurde während eines Tests heruntergeregelt, allerdings durch einen Bedienfehler zu niedrig. In der Folge entstand eine Kette von Fehlentscheidungen, die zu einem sehr instabilen Zustand des Reaktors führten.

Alsbald stieg die Temperatur sehr schnell an und die Notabschaltung gelang nicht. Es wurde enorm viel Energie freigesetzt, die für über 2.000 Grad sorgte, die schließlich zur Kernschmelze führten. Es bildete sich Wasserstoff und es kam zu einer Explosion. Diese deckte das Dach des Reaktors frei, sodass radioaktives Material freigesetzt wurde und sich durch den Wind sehr schnell verteilte. Ein Gebiet von rund 150.000 km2 wurde verseucht. Das Wetter sorgte zudem dafür, dass noch weitere 45.000 km2 in Europa von dem radioaktiven Material getroffen wurden.

Die Reaktionen auf das Unglück

Rund 330.000 Menschen wurden alsbald – wenn auch eigentlich zu spät – in unmittelbarer Umgebung zum Reaktor evakuiert. Um der Lage noch Herr zu werden, wurden von der sowjetischen Führung Helfer nach Tschernobyl geschickt. Sie sollten die Strahlung liquidieren, weshalb sie auch als Liquidatoren bezeichnet wurden. Neben rund 6.000 Soldaten waren das noch 40.000 Leute, die für chemische Einsätze gedacht waren. Insgesamt waren es mehrere hunderttausend Helfer, die bei Tschernobyl mithalfen. Darunter ganz unterschiedliche Leute wie Polizisten, Krankenschwestern, Ärzte oder auch Kletterer. Die meisten mussten ohne Schutzkleidung arbeiten.

Reaktionen Reaktor UnglückIm Wesentlichen wurde dafür gesorgt, dass der Reaktor zugeschüttet wurde. Zum Einsatz kamen beispielsweise Bor, Dolomit, Bleibarren sowie Sand und Lehm. Die verschiedenen Materialien sollten dafür sorgen, dass die Strahlung gemindert und die Kettenreaktion begrenzt wird. Trotzdem dauerte es zehn Tage bis der Reaktor keine radioaktiven Gase mehr in die Luft freisetzte. Unter der Erde musste ein Tunnel für ein Kühlsystem gebaut werden, damit das Grundwasser nicht kontaminiert werden würde.

Fatal neben dem eigentlichen Unfall war das Management der Krise, das als miserabel bezeichnet werden muss. Es gab nämlich kaum Informationen für die Bevölkerung und auch die Evakuierung ging viel zu langsam vonstatten. Erst am 28. April erfuhr die Bevölkerung in der Sowjetunion von dem Unfall, allerdings kaum etwas über die Ausmaße. Im Sommer 1986 wurde dann damit begonnen, ein Gehäuse aus Beton zu bauen, dass den gesamten Reaktor umgeben sollte. Dafür wurden rund 300.000 Tonnen Beton genutzt. Nach über zwanzig Jahren war die Hülle aber schon wieder marode und musste erneuert werden. Weiterhin liegen über 400.000 Kubikmeter Atomabfälle unter dem Gehäuse, entsprechend geht von dem Reaktor auch heute noch eine große Gefahr aus.

Große Besorgnis wegen Tschernobyl auch im Ausland

Besorgnis wegen Tschernobyl im AuslandWelche Auswirkungen ein Atomunfall dieser Art hat, zeigt sich auch an der Größe des betroffenen Gebietes. Nicht alleine nur Tschernobyl und die Umgebung waren betroffen, sondern auch Teile des Auslands. Auch im Rest von Europa und der Welt erfuhr man erst später von der Katastrophe. Durch das Wetter und starke Winde wurden die Strahlungswolken auch über andere Teile Europas verteilt. Tausende Kilometer legten die Wolken streckenweise zurück, ehe sie vom Regen ausgewaschen wurden und die radioaktiven Inhalte in den Boden gelangten. Neben der Ukraine waren es Länder wie Weißrussland, Russland, Österreich, Polen, Griechenland, Bulgarien und weitere, die besonders schwer betroffen waren.

In Deutschland wurde die Gefahr zunächst auch nicht allzu offen ausgesprochen. Doch am 29. April gab es auch in Süddeutschland radioaktiven Regen. Dennoch blieb unklar, wie groß die Gefahr wirklich ist und was nun zu tun sei. In der Folge wurden viele Konserven gekauft, Frischmilch gemieden und Fußballspiele abgesagt. Auch durften viele Kinder nicht mehr im Freien spielen und Menschen besorgten sich in den Apotheken Jodtabletten.

Die Auswirkungen auf die Atomenergie

AtomenergieMit der Katastrophe von Tschernobyl veränderte sich das Bild, das Menschen auf die Kernkraft hatten. Zu Beginn galt sie noch als unerschöpfliche und saubere Energiequelle, doch jetzt wurden verstärkt die Gefahren gesehen und es bildeten sich ganze Bewegungen, die die Abkehr von der Atomenergie forderten. Der Unfall hat gezeigt, dass es eben keine 10.000 Jahre brauchen würde, bis ein solches unwahrscheinliches Ereignis eintreten kann. Im Jahr 2011 kam noch die Katastrophe von Fukushima hinzu, die endgültig dafür sorgte, dass zumindest manche Länder der Kernenergie auf langer Sicht den Rücken kehren wollen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die im Zuge der Klimakrise die Atomenergie für unverzichtbar halten. Ein eindeutiges Meinungsbild dazu gibt es also auch heute noch nicht.

Die langfristigen Folgen von Tschernobyl

Auch heute noch wirkt sich Tschernobyl also auf die Debatten über die Atomkraft aus. Aber es gibt auch nach wie vor sehr konkrete Probleme, die mit Tschernobyl im Zusammenhang stehen. Da gibt es beispielsweise die hohen Kosten für das Kraftwerk, um den Inhalt zu schützen. Außerdem ist noch bis heute Atommüll vorhanden. Ferner gibt es auch bis heute noch um Tschernobyl ein rund 4.300 km2 großes Areal, das als Sperrzone gilt.

Über 100.000 Helfer sollen bis heute an den Nachwirkungen ihrer Arbeit gestorben sein. Zudem soll es aber auch tausende Fehlgeburten gegeben haben, selbst in Deutschland, die auf die Radioaktivität von Tschernobyl zurückzuführen sind. Allerdings schwanken hier die Zahlen auch, da teilweise keine genauen Zusammenhänge hergestellt werden können.

Filme und Serien zum Reaktorunfall Tschernobyl

Ein solch tiefgreifendes Ereignis bleibt natürlich auch in der Kunst nicht verborgen. So gibt es bis heute viele Serien oder auch Filme, die direkt oder indirekt von Tschernobyl handeln. Zu nennen wäre da beispielsweise die Serie “Chernobyl” vom Sender HBO, die 2019 gestartet ist und große Erfolge feiern konnte. Die Serie überzeugt mit großartigen Darstellern und eine packende Inszenierung. 2012 hingegen kam ein Horrorfilm heraus, der sich des Themas angenommen hat. “Chernobyl Diaries” vermischt dabei Wahrheit mit Fiktion.

Anachronistisch kann auch “Stalker” genannt werden. Der 1979 erschienene Film stammt von niemand geringerem als Andrei Tarkowski und zeigt, was bei einer solchen Katastrophe noch passieren kann, wenn sie nicht eingedämmt werden würde. Ebenfalls fiktiv geht es im Film “Die Wolke” zu, der in Deutschland spielt und 2006 – also 20 Jahre nach Tschernobyl – erschien. Hier geht es nicht direkt um die Katastrophe aus der Ukraine, sondern um die Frage, was wäre, wenn ein solches Unglück in Deutschland passieren würde.

Fazit zu Tschernobyl – Über 20 Jahre nach dem Reaktorunfall

Mittlerweile sind schon über 20 Jahre vergangen, seit die Katastrophe in Tschernobyl geschah. Doch noch heute gibt es Auswirkungen, sowohl gesundheitliche als auch finanzielle. Schon der Unfall von 1986 hat gezeigt, dass Atomkraft nicht so sicher ist, wie stets behauptet wurde. 2011 kam noch Fukushima hinzu, sodass diese Gefährlichkeit ein weiteres Mal als noch höher eingestuft wurde. In den Debatten um Atomkraft spielt Tschernobyl bis heute eine sehr große Rolle, weshalb das Thema auch nichts an seiner Aktualität verliert.